In Memoriam Benjamin Stadler

Lebenslauf / Kapitel 12

Die Polizisten wollten wohl gegenseitig füreinander Zeugnis ablegen, falls er stirbt.

Warum haben sie ihn nicht in ein Krankenhaus gebracht? Weil dass der Beweis gewesen wäre, dass die Polizei ihn geschlagen hat?

Nachdem der Polizist meine Personalien überprüft hat, zeigte er mir einen Ausweis und sagte, Ihr Sohn wollte mit diesem falschen Ausweis in die Disko gehen. Deshalb haben wir ihn hierher gebracht.

Nach 20 – 25 Minuten waren wir immer noch beschäftigt mit der Aufnahme der Personalien.

Die ganze Zeit haben die Polizisten ihre Stellung nicht geändert. Dies hat mich noch mehr beunruhigt.

Plötzlich habe ich bemerkt, dass mein Sohn nicht mehr redete; aber gleichzeitig hörte ich lautes und langsames Atmen hinter mir.

Ich drehe mich um und sah meinen Sohn 2 bis 3 Meter hinten links von mir gebeugt stehen.

Hinter ihm links standen zwei zivil gekleidete Polizisten und beobachteten ihn.

Mein Sohn sah misshandelt aus. Sein Gesicht war rot mit dunklen Flecken. Es herrschte Stille.

Er konnte nicht sitzen, aber auch nicht richtig gerade stehen. Er stand da mit herabhängenden Schultern, in sich zusammengesackt.

Ich habe gedacht, dass sie ihn heftig in den Bauch geschlagen

haben mussten, und er deshalb nicht richtig stehen konnte.

Aber in diesem Moment, freute ich mich, dass er überhaupt stehen konnte.

Ich hatte mir schon das Schlimmste ausgemalt. Trotzdem sah er sehr schlimm aus!

Ich dachte, es geht ihm schlecht und er hat ein sehr bitteres Erlebnis hinter sich, aber er ist jung, gesund und stark, er wird sich erholen und weiterleben.

Ich habe für den Moment entschieden , dass ich ruhig bleibe und nichts sage, denn ich dachte, dass man mit Polizisten nicht diskutieren kann, die so barbarisch schlagen und foltern.

Wie ist das möglich im 21. Jahrhundert, in einem zentral- europäischen Land, in dem die Leute überall von Menschen-rechten und Gesetzen reden?

Außerdem, was sollte ich in dieser Situation sagen?

Was sollte das helfen?

Ich war so durcheinander, dass ich vergessen habe, (dass ich einen Notarzt anrufen) oder einen Rechtsanwalt oder Journalisten.

Ich hätte einige Bekannte anrufen können, als Zeugen zur Polizeiwache zu kommen. Oder ich hätte ihn mit einem Polizisten zum Krankenhaus bringen sollen. …

Ich dachte, die Polizisten haben ihn jetzt frei gelassen. Es ist besser, wenn wir aus dieser Hölle rauskommen.

Mit diesen Gedanken wendete ich mich an meinen Sohn. Ich wollte ihm zu verstehen geben, dass wir schleunigst hier raus gehen sollen.

Aber mein Sohn schaute mich nicht an, sondern nur den Polizisten, der meine Personalien festgestellt hat, und wollte etwas sagen. Aber er konnte nicht, denn er war zu schwach. Endlich fing er an, laut aber langsam mit gebrochener Stimme zu reden.

Es waren immer noch 5 Polizisten zugegen, jeder in seiner ursprünglichen Position. Er sagte in etwa Sätze wie:

Sagen Sie mir, warum wollten Sie mich umbringen, was habe ich Ihnen getan?

Freut es Sie zu schlagen und zu töten?

Glauben Sie, hier ist Afghanistan?

Sagen Sie, Sind Sie Taliban, oder Polizist?

Glauben Sie, Sie können hier wie in Afghanistan die Menschen umbringen?

Sagen Sie mir, haben Sie mich hierher gebracht, um mich zu töten?

Ich will gegen Sie Anzeige erstatten.

Seine Aussage wurde von den Polizisten durch ihre Kopf- und Körperbewegungen lächerlich gemacht.

Somit merkte er, hier gibt für ihn kein Recht. Er überlegte ein bisschen und sagte weiter:

Schreiben Sie mir Ihren Namen auf!

Ich werde gegen Sie Anzeige erstatten!

Er wiederholte wieder die oben genannte Sätze …..

Der Polizist, der meine Personalien aufgenommen hat, hat sich aufgeregt und sagte laut:

Warum sagen Sie das zu mir? Ich habe Sie nicht geschlagen!

Der Mann sagte: Ich habe Sie nicht geschlagen!

Sie brauchen mir das nicht zu sagen, sagen Sie das zu denen, die Sie geschlagen haben.

Ich kann nichts tun. Reden Sie mit denen, die Sie geschlagen haben. Oder gehen sie dort hin, der Chef ist dort, reden Sie mit ihm. Der Chef saß in einem anderen Raum, er hat die Tür aufgelassen, damit er alles hören und sehen konnte.

Mein Sohn wollte wissen, was er für einen Befehl für seine Schläger- und Foltertruppe gegeben hat.

Denn (ich dachte) ohne seine Erlaubnis und ohne seinen Befehl, hätte mein Sohn nicht in der Polizeistation zu Tode gequält werden können.

(Der polizeilichen Anzeige gegen ihn kann entnommen werden, dass er bei der Festnahme normal und ein bisschen schwach war. Sein Freund sagte auch aus, dass er normal war. Noch mehrere Informationen auf Seite 62-80 )

Wenn er nicht normal gewesen wäre, gehe ich davon aus, dass die Polizei ihn ins Krankenhaus gebracht hätte.

Denn ohne die Erlaubnis des Chefs, hätte ein Polizist ihn höchstens ein oder zwei Ohrfeigen geben können.

Das hätte ihm überhaupt nichts ausgemacht, weil er beim Fußball Karate und Eishockeyspiel schlimmere Dinge erlebt hat.

Was mein Sohn und die Polizisten gesagt haben,hat der Chef gehört.

Er stand plötzlich auf und kam in den vorderen Raum zu uns. Er fragte mit freundlicher und sorgfältiger Stimme, was los sei. Was ist hier passiert?

Es klang, als ob der Chef vom Winterschlaf aufgewacht sei und von dem Vorfall keine Ahnung gehabt habe.

Er wollte sich immer noch menschlich geben und zwischen seinen Schlägertypen und ihrem Opfer die Vermittlerrolle übernehmen.

Aber nun hat mein Sohn erkannt, welche Verantwortung der Chef in diesem Vorfall gehabt haben musste, und welch falsches Spiel er trieb.

Einen Moment hat er ihn angeschaut und ein bisschen Kraft

gesammelt. Dann wiederholte er ähnliche Sätze wie zuvor, und sagte langsam aber laut und deutlich:(Er sagte in etwa Sätze wie:)

Was für Menschen sind das?

Warum und wieso haben Sie so etwas getan?

Warum wollten Sie mich töten? Was habe ich Ihnen getan?

Freut es Sie, zu töten?

Sind Sie Polizei oder Taliban? Glauben Sie, hier ist Afghanistan?

Glauben Sie, dass Sie hier wie in Afghanistan alles tun können?

Ich sage, Sie haben mich hierher gebracht, um mich zu schlagen und zu töten.

Ich will gegen Sie eine Anzeige erstatten!

Ich sage, schreiben Sie ihren Namen auf und geben Sie ihn mir.

Der Chef hat alles noch mal ganz klar gehört, er hat nichts mehr gesagt. (Sein Gesichtsausdruck hat gezeigt, dass er genau verstanden hat, welche Rolle er gespielt hat, und welche Methoden er für sein Opfer angewendet hat.)

Die Polizisten in der Anzeige haben die Worte meines Sohnes nicht protokolliert. Er bekam eine Visitenkarte, auf der zwei Namen geschrieben standen: (diese Vorfall wird von der Polizei vertuscht und sie haben es so geschildert:)

Polizeibericht

Der Chef schaute mich an. Ich dachte, bevor wir noch mehr Probleme bekommen, nehme ich meinen Sohn und verschwinde.

Aber sie gaben meinem Sohn eine Visitenkarte, die wie folgt aussah:

Polizei Visitenkarte

Ich habe noch einmal meinen Sohn angeschaut und wollte ihm sagen, dass wir gehen müssen. Aber ich musste nichts sagen, er hat es auch so verstanden.

Gleich hörte ich wie jemand mit einem elektronischen Gerät die Tür öffnete. Das war das Signal, dass wir gehen sollten.

Ich sagte nichts, drehte mich um und ging raus. Hinter mir kam auch mein Sohn.

Plötzlich hörte ich, wie der Polizist, der jüngere und kleinere von beiden, meinen Namen rief.

Er sagte ähnliche Sätze wie:

Das wurde in der Tasche Ihres Sohnes gefunden, er hat es vergessen, bitte nehmen Sie es auch mit.

Er hatte etwas in der Hand gehabt und wollte es mir geben.

Ich machte meine Hand auf und streckte sie aus, er legte etwas in meine Hand und sagte:

Bitte schön, es ist ein Cent, der war in seiner Tasche.

Aber warum haben Sie diesen Cent nicht zusammen mit dem Ausweis und den sonstigen Sachen zurückgegeben? Weiss man nicht.

Ich dachte, dass sie uns noch mehr ärgern wollten. Ich habe gesagt:

Mein Herr, herzlichen Dank.

Ich drehte mich um und ging raus. Hinter mir kam auch langsam mein Sohn nach.

Später habe ich gedacht, dass die Polizisten mich abgelenkt haben, damit ich ohne ärztliche Untersuchung, ohne Zeugen oder Beweise die Polizeistation verlasse sollte.

Das muss ich auch sagen, ich habe in der Polizeiwache eine Videokamera (auf dem Dach, Treppenraum und zwei in der Polizeiwache) gesehen.

Dadurch könnte man alles genau beweisen, wann, wie und in welchem Zustand mein Sohn zur Polizei gebracht worden war und in welchem Zustand er die Polizei wieder verlassen hat.

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