In Memoriam Benjamin Stadler

Lebenslauf / Kapitel 5

Er versuchte auch, im Internet alles was er über den Iran und Aserbeidschan auf Deutsch und Englisch fand, zu lesen.

Danach wollte er mit mir über das Gelesene reden und alle Besonderheiten wissen.

Er sah sich auch öfter die Städte und das Land mit dem Gebirge auf Satellitenbildern an. Des Weiteren verfolgte er die aktuellen Nachrichten. Was ihn dabei sehr störte, war die Lage der Frauen im Iran.

Er konnte auch etwas Türkisch und Persisch sprechen, aber er wollte dies nicht.

Wenn jemand ihn persisch oder türkisch ansprach, hat er lächelnd auf Deutsch oder aserbaidschanisch geantwortet.

Wenn er türkisch und persisch redete, hatte er einen starken deutschen und aserbaidschanischen Akzent. Er hat diese Sprachen mit Hilfe von Videowiedergaben gelernt.

Ich habe ihm einmal in einem Gespräch gesagt, dass er, wenn er gute Deutschkenntnisse hat, wir mein Buch in die deutsche Sprache übersetzen können. (Ich habe im Jahr 1998 ein Buch in persischer Sprache über aserbaidschanische Sprachenregeln geschrieben und im Iran und Europa drucken lassen. Danach habe ich es weiter entwickelt. Er lobte es und wollte, dass ich weitermache.)

Er sagte, er könne viel besser Deutsch als ich. Ich habe erwidert, es ist klar, dass er besser Deutsch könne, sonst bräuchte ich seine Hilfe nicht.

Ich habe ihm gesagt, seine Noten in der Schule zeigen, dass sein Deutsch nicht gut sei. Er versprach, im nächsten Jahr, seine Sprachkenntnisse zu verbessern, damit wir uns gemeinsam an die Übersetzung wagen könnten.

Er hat sich daraufhin auch wirklich angestrengt, sein Deutsch zu verbessern. Dies hat er auch geschafft. Zu sehen war es an seiner Note in Deutsch in der Schule.

Wir wollten also die Übersetzung des Buches auf Deutsch in den Sommerferien (2008) anfangen.

Er freute sich darüber und sagte, dass dies seine erste wissenschaft- liche Arbeit sei.

Mein Sohn wollte studieren. Erst hatte er verschiedene Fächer im Kopf, aber mit der Zeit hat sich seine Neigung für Medizin herauskristallisiert.

Er wollte den Menschen, besonders den Armen helfen. Er dachte auch seine Mutter, die Ärztin ist, könnte dabei behilflich sein.

Er wollte auch gern Auto fahren. Deshalb hat er als 16 Jähriger versucht, die Verkehrsregeln zu lernen.

Mit 17 Jahren hat er den Führerschein gemacht. Daraufhin ist er mit mir einige zehntausend Kilometer in Deutschland herumgefahren, einmal sogar fast 1000 km an einem einzigen Tag.

Er beachtete die Verkehrsregeln, aber auf der Autobahn wollte er immer schnell fahren, worüber ich mich aufregte.

Er ist öfter mit mir in die Mensa oder in iranische Lokale gegangen.

Dadurch kannten ihn viele Iraner. Er hat sich mit ihnen unterhalten, Schach oder Badminton gespielt.

Obwohl unterschiedlicher Meinung und nicht immer nett zu mir, behandelten die Iraner meinen Sohn freundlich, fast wie ihr eigenes Kind. Sein Tod war für sie deshalb auch sehr schwer und deprimierend.

Er ist zum Essen mit seinen Freunden oder Freundinnen ausgegangen. Wenn wir zu Hause essen wollten, haben wir Gemüsesalat, Obstsalat, Käse mit Brot, Milch oder Melonen, Wassermelonen usw. gegessen.

Er frühstückte gern und aß gern zwischen den Mahlzeiten verschiedenen Arten von Müsli mit Milch.

Beim Essen haben wir öfter auch Tee oder Wasser oder Obstsaft getrunken. Danach haben wir Schach gespielt oder ferngesehen und Computer geschaut oder uns unterhalten oder mit Bällen jongliert.

Obwohl ich mit ihm öfter zu Hause war, haben wir zu Mittag und Abendessen kaum gekocht, sondern öfters kalt gegessen, manchmal sind wir auch in iranische Lokale gegangen. Er mochte besonders gern Kebab mit Reis essen.

Er lachte, spielte und wollte das Leben genießen. Obwohl er in den letzten Jahren abends öfter ausging, und sich selbst und uns Ärger machte, fühlte er sich sehr zufrieden und glücklich.

Benjamin Stadler

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