In Memoriam Benjamin Stadler

Lebenslauf / Kapitel 10

Seine Verwandten trauern in Teheran und Ost Aserbaidschan:

Sie wollten auch seinen Leichnam dort begraben, aber ich traute mich nicht, es seiner Mutter zu sagen.

Ich habe in der letzten Zeit, besonderes nachdem die Polizisten am 19. 07. 2007 meinen Sohn zum ersten Mal festgenommen und geschlagen hatten, um sein Leben Angst gehabt.

Am Wochenende oder in den Ferien ist er öfters mit seinen Freunden oder Freundinnen ausgegangen. Bevor er nicht nach Hause kam, konnte ich nicht schlafen.

Dann dachte ich, wenn er einmal festgenommen wurde, hat er bei der Polizei ein negatives Zeugnis, es könnte sich für ihn nachteilig auswirken.

Er sah mit seinen dunklen Haaren ein bisschen ausländisch aus. Außerdem bin ich, als sein Vater, auch Ausländer mit deutschem Pass (wie man im Polizeicomputer sicherlich sehen kann).

Er war noch unerfahren, jung, aber stolz auf seine Klugheit, Größe, Stärke und gutes Aussehen.

Ich dachte nun, wenn er noch mal Pech hat und die Polizisten (besonderes diejenigen, die rassistische Gedanken im Kopf haben) ihn aus bestimmten Gründen wieder festnehmen würden, und er dabei falsch reagierte, würde das für ihn negative Auswirkungen haben.

Ich habe seiner Mutter gesagt, dass ich um sein Leben Angst habe. Sie sagte, ich solle aufhören, hier sei nicht Iran; was für dumme Gedanken ich im Kopf hätte.

Aber sie sagte gleich, wenn er bei ihr sei, käme er manchmal zu spät nach Hause und sie wisse dann nicht, was sie machen solle. Sie sagte, sie sei auch sehr in Unruhe.

Ich habe ihm auch gesagt, dass er vorsichtig sein solle, er habe bei der Polizei eine negative Akte, wenn einige unnormale und böse Polizisten ihn erwischen, würden sie ihn viel schlimmer als das erste Mal schlagen.

Ich habe einmal mit seiner Mutter ausgemacht, dass wir uns

zusammensetzen und versuchen, ihn zu überzeugen, dass er nicht wieder zu spät nach Hause kommt.

Bei der Zusammenkunft habe ich ihn kritisiert und ihm gesagt, es gehe nicht, dass er so oft ausgehe und trinkt und raucht.

Dabei hat sich seine Mutter anstatt ihn zu kritisieren, über mich lustig gemacht und ihm gesagt, sein Papa übertreibe alles, ich hätte es bei ihr auch so gemacht, weshalb sie nicht bei mir bleiben konnte.

Ich habe noch einmal mit seiner Mutter ausgemacht, wenn er am Wochenende bei mir ist, soll sie ihm nicht extra Taschengeld geben, so dass er noch mehr trinkt und raucht.

Ich wusste, dass er zu bequem war, wegen mehr Bier zur Bank zu gehen und Geld zu holen.

Er würde auch nicht von zu Hause Geld nehmen, ohne dass ich es bemerken würde. Er wollte nicht, dass ich es merke, dass er Bier trinkt und raucht. Aber seine Mutter hat ihm wieder manchmal am Wochenende 50 oder 60 Euro Taschengeld gegeben.

Natürlich wollte die Mutter für ihr Kind in erster Linie Gutes tun, aber dabei spielten auch andere Dinge eine Rolle.

Denn sie machte mir Konkurrenz, sie wollte sich bei ihm beliebt machen und ihn für sich gewinnen. Aber es waren leider falsche Methoden zum falschen Zeitpunkt.

Aber der Junge wusste genau, was seine Mutter wollte. Er nutzte die Gelegenheit aus, und versuchte auch mich unter Druck zu setzen, damit ich nichts gegen seine nächtlichen Ausflüge sage.

Denn ich habe ihm einmal gesagt, wenn er am Wochenende hier in München bei mir bleibt, dürfe er nicht von Mama Geld verlangen, denn er bekäme von mir genug. Außerdem haben wir auch zu Hause Geld. Wenn er welches brauche, wisse er doch, dass er welches nehmen könne…

Du brauchst nicht extra Geld von Deiner Mutter, damit Du wieder viel rauchst und trinkst.

Er sagte: Papa, ich weiß, was du im Kopf hast, gib zu, dass du mich damit kontrollieren willst, wie viel Geld und wofür ich das Geld ausgebe.

Ich sagte: Ja, es ist richtig, weil du in den letzten Monaten ungewöhnliche Sachen gemacht hast und auch dummerweise mit der Polizei Probleme gehabt hast. Also muss ich Dich irgendwie bremsen.

Er sagte, er dächte, dass ich nicht zugeben würde, dass ich so etwas mache.

Aber ich verlange von Mama kein Geld, sie gibt es mir selbst. Sie fragt mich manchmal, möchtest Du ein bisschen Taschengeld haben?

Ich sage ja, warum nicht, dann gibt sie mir Geld. Warum soll ich es eigentlich nicht nehmen?

Ich kann es behalten und für mich Kleider oder sonstige Sachen kaufen.

Ich fragte: was hast du bis jetzt gekauft?

Er sagte: ich meine nachher.

Ich sagte: Ha, ha, ich glaube es sofort…

Er sprach weiter: Aber ich weiß, dass die Mama mich damit gewinnen will. Er lachte: Ha, ha, ha… aber sie weiß nicht, dass ich weiß, was sie im Kopf hat.

Ich sagte: Also damit nutzt sie alle Gelegenheiten aus, es ist für dich und deine Zukunft nicht gut.

Er sagte: Ich mache Spaß, aber sie ist meine Mama… du weißt, sie liebt mich und sie will, dass ich eine schöne Zeit habe und das Leben genieße. Also Papi, wir haben doch Recht. Oder nicht?

Ich sagte, das nächste Mal, wenn seine Mama ihm Geld geben wolle, solle er sagen, dass er es nicht brauche, denn er bekomme vom Papa genug. Er würde das Geld nur nehmen und trinken gehen und rauchen. Es würde ihn krank machen und noch mehr Ärger bringen.

Ich sage Dir, ich habe wirklich die Sachen satt. Du sollst wissen, wenn Du das nächste Mal so spät betrunken nach Hause kommst, bringe ich Dich nach Irschenberg zu Deiner Mutter, Du sollst in Irschenberg bei ihr bleiben und dort leben. Es ist besser, dass Du bei ihr bleibst.

Denn Du kannst dort nicht in die Nacht so spät aus bleiben. Es tut mir sehr Leid, dass ich Dir so etwas sage, aber Du hast mich so weit gebracht, dass ich mit meinem eigenen Sohn über solch unangenehme Sachen reden muss.

Ich habe es auch Deiner Mutter gesagt, sie ist einverstanden, sie sagte, es ist richtig, so geht es nicht weiter, so macht er unser Leben schwer.

Eines Nachts, Sonntag 2-3 Uhr, kam er nach Hause. Ich steckte die Türschlüssel in das Schloss, damit er die Tür nicht aufmachen konnte, er wartete ein bisschen und fragte anständig, ob er läuten könnte.

Ich dachte, bevor er die Nachbarn aufweckt, mache ich die Tür auf, er roch wieder nach Rauch und Alkohol.

Er fragte: Warum sperrst Du die Tür ab? Damit Du weißt, dass ich komme!?

Ich sagte: Wie wir besprochen haben, sollst Du zu deiner Mama gehen.

Er sagte: Wieso? Was ist wieder los?

Ich sagte: Wir haben darüber gesprochen. Du weißt es ganz genau.

Er sagte: Die Mama ist nicht in München.

Ich sagte, dass ich ihn mit dem Auto zu seiner Mama bringen würde. Du sollst ab heute bei ihr bleiben. (Aber so etwas tun und sagen, tat mir selber mehr weh als ihm, trotzdem musste ich es sagen, damit er es vielleicht versteht.)

Er war unterwegs ganz unruhig und fing zu schimpfen an und sagte: Was machst Du mit mir, was für ein Vater bist Du? Wenn ich ein Bier trinke, machst Du so ein großes Theater!
Hier ist nicht Iran, hier darf man doch ein Bier trinken.

Ich sagte: Du kannst trinken, aber bei Deiner Mama. Danach haben wir unterwegs bis Irschenberg nicht gesprochen.

Die Fahrt dauerte fast 40 Minuten. Er stieg aus und sagte: Du machst komische und kindische Sachen, tschüss. Aber ich ging ihm auch zur Wohnung nach.

Ich habe vorher mit seiner Mutter ausgemacht, wenn ich mit ihm zu ihr komme, dass sie ihn kritisieren sollte, damit er vielleicht versteht, dass es so nicht weiter geht und dass er sein Verhalten ändern soll.

Aber die Mutter hat ihn nicht kritisiert. Im Gegenteil, sie freute sich, dass ich mit ihm gestritten und ihn zu ihr gebracht habe. Es schien mir, dass sie jahrelang auf unseren ernsthaften Streit wartete.

Ich erkannte die Lage und kehrte nach München zurück. Unterwegs dachte ich, mein Sohn ist nun böse und beleidigt und kommt wochenlang nicht mehr zu mir.

Aber am nächsten Montagnachmittag kam er nach der Schule zu mir, grüsste und wollte, dass wir zusammen in ein iranisches Lokal zum Essen gehen.

Bei solchen Problemen und in dieser Situation hat seine Mutter gesagt, dass sie ihm in München eine Wohnung kaufen wolle, und sie hat auch nach einigen Wochen im Olympiadorf eine Wohnung gekauft, obwohl sie wusste, dass er nicht in der Lage war, allein zu leben.

Die Mutter wollte, dass er mit einer Studentin dort einzieht, aber er wollte mit einem seiner Freunde dort einziehen.

Wie man sich vorstellen konnte, hat ihm das nicht gut getan, denn er kam noch einmal spät nach Hause.

Ich sagte: Du kommst wieder zu spät und riechst nach Rauch und Alkohol.

Er sagte: Du brauchst Dich nicht mehr aufzuregen. Ich ziehe sowieso bald in die neue Wohnung.

Copyright  2006 - 2016
email: ali.mohammadi@az-dili.com